Mafra

Nähert man sich Mafra aus dem Norden, glaubt man zunächst an eine optische Täuschung. Kilometerweit führte der Weg von der Küste über Felder und Wiesen, durchquert nur gelegentlich kleine Ortschaften und Ansiedlungen. Doch plötzlich erscheint zwischen all den roten Dächern – gewaltig und unwirklich – das Kloster.

Doch die meisten Besucher werden wohl aus Lissabon kommen, denn von der Hauptstadt ist Mafra nur einen Katzensprung entfernt, und das mit gutem Grund. Neben dem Kloster für die Franziskaner ließ der Bauherr, König João V, einen Palast für die königliche Familie in die Anlage integrieren. 1717 wurde mit dem Bau am höchsten Punkt der Gegend begonnen, sodass ein freier Blick auf Ericeira und bis hin zum Atlantik garantiert war. João V ging als der verschwendungssüchtigste der portugiesischen Herrscher in die Geschichte ein – mit dem größten Kloster Portugals wollte er sogar den Escorial in Madrid übertreffen. Dafür gab er mit vollen Händen das brasilianische Gold aus und engagierte anerkannte Künstler aus ganz Europa. Heerscharen von Arbeitskräften wurden eingesetzt – es sollen bis zu 50 000 Menschen gewesen sein, die hier unter der Aufsicht von 7000 Soldaten schufteten. Nachdem der Prachtbau in jahrelanger Arbeit fertiggestellt worden war, benutzte ihn die königliche Familie allerdings nur gelegentlich.

Doch das Kloster blühte für mehrere Jahrzehnte auf – etwa 300 Mönche ließen sich in Mafra nieder – bis 1834 der Orden in Portugal aufgelöst und das Kloster aufgegeben wurde. Die königliche Familie verabschiedete sich 1910 aus der Anlage.

Heute können Besucher Palast und Kloster auf einem geführten Rundgang kennenlernen, für den mindestens eine Stunde eingeplant werden sollte. Nur ein kleiner Teil des ausgedehnten Bauwerks wird besucht, doch wer will schon ernsthaft alle 880 Säle und Zimmer, 300 Zellen und 20 Höfe sehen. Ganz zu schweigen von der Vorstellung, alle 154 Treppenfluchten zu ersteigen.

Auch wenn nur ein Ausschnitt gezeigt wird – beeindruckend ist der Rundgang allemal. Er beginnt mit den reich ausgestatteten Gemächern der königlichen Familie, die die gesamte Westfassade der Anlage einnehmen. In einem der Ecktürme wurden die Räume für den König eingerichtet, im anderen Turm – 232 Meter entfernt – logierte die Königin. Es gibt einen Verbindungsgang zwischen diesen beiden Türmen, von dessen Mitte man einen Blick in die prachtvolle Basilika werfen kann. Marmorarbeiten in Weiß, Gelb, Rosa, Rot, Blau, Grau und Schwarz schmücken den Sakralbau vom Boden bis zur Decke. 62 gerippte Pfeiler lenken den Blick hinauf zum reich verzierten Tonnengewölbe. Darstellungen von Heiligen ziehen die Aufmerksamkeit auf sich. So viele Carrara-Marmor-Statuen aus Werkstätten römischer Bildhauer sind hier versammelt, dass Mafra heute als das Studienzentrum für römische Plastik des 18. Jahrhunderts schlechthin gilt.

Schnell noch einen Blick in die schlichten Zellen der Franziskaner, und man steht vor dem Höhepunkt des Rundgangs: einer der schönsten Bibliotheken Europas. 50 Fenster erhellen den beinahe 90 Meter langen Raum. In den kunstvoll gestalteten Regalen sind über 40 000 Bücher versammelt – darunter Erstdrucke von Horaz, Caesar und Cicero, portugiesische Kostbarkeiten, wissenschaftliche Werke – ein Hort des abendländischen Wissens. Sie sind, gut konserviert, leider nur zum Ansehen, nicht zum Aufschlagen freigegeben.

Mafra - Kloster

Mafra - Kloster

Mafra - Kloster

Mafra - Kloster

Mafra - Kloster

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